Verfechter einer hohen Automatisierung machen Systemintegration und die Vermeidung von Datenredundanzen bisweilen zu einer eigentlichen Religion. IT-Verantwortliche erheben den Integrationsgedanken zur absoluten Maxime und sagen jeglicher Doppelerfassung von Daten den Kampf an. Natürlich ist es unsinnig, dieselben Daten in zwei oder mehreren Systemen redundant zu erfassen, wenn es sich dabei um präzise beschreibbare, grössere Datenmengen handelt, die über einen längeren Zeitraum relevant sind. Und ohne Frage ist es absurd, wenn ein Assistent die Ist-Aufwände, die auf Projekten erfasst wurden, jeden Monat aus SAP herausliest und diese händisch ins Projektportfolio-Management-System überträgt, damit in letzterem integrale Controlling-Daten zu den Projekten zur Verfügung stehen. Doch genauso ist es kontraproduktiv, Abteilungsleitern zu verbieten, ihre Vorbereitungen zur jährlichen Budgetübung mit ihren bewährten Excelblättern zu treffen. Mit dem zentralen, starren ERP-System wird es nicht gelingen, auch nur in die Nähe jener Flexibilität zu kommen, die Budgetvarianten in verschiedenen Tabellenblättern, Zwischensummen, Kommentare auf einzelnen Zahlen/Zellen und vieles mehr für diese Aufgabe nun einmal erfordern. An die Aufgabe der Systemintegration ist gänzlich undogmatisch heranzugehen. Leitlinie darf nichts anderes als die Frage nach Aufwand und Nutzen sein. Es folgen ein paar Gedanken und Beispiele zu sinnvollen sowie und weniger sinnvollen Integrationsbeispielen im Bereich des Projektportfolio- und Ressourcenmanagements. Bei der Erstpräsentation von resSolution wird nicht selten nachgefragt, Kalenderdaten aus Outlook ins System zu importieren. Ferieneinträge aus der persönlichen Kalenderplanung in die Ressourcenplanung einfliessen zu lassen, scheint auf den ersten Blick plausibel, da dies Doppelerfassungsaufwand und Fehleinträge vermeidet. Kritische Fragen des Beraters beenden das Thema dann jedoch meist relativ zügig. Die Frage etwa, wie gut die in Outlook hinterlegten Ferienreservationen und anderen Abwesenheiten sich für die direkte Übernahme eignen. Oder wie Reservationen und definitive Einträge unterschieden werden sollen. Aber auch, ob gewährleistet ist, dass alle Mitarbeiter den Kalender konsequent und nach denselben Prinzipien führen. Das Resultat der Diskussion: Entweder bleibt der Kunde bei den individuellen geführten Outlook-Einträgen und erfasst die Abwesenheiten für den Zweck der Ressourcenplanung nur grob (meist monatsgenau), dafür meist längerfristig als in Outlook. Oder aber die Outlook-Planung wird durch die tagesgenaue Abwesenheitsplanung in resSolution ersetzt und um die mittelfristigen, auf Monate bezogenen Abwesenheitsschätzungen ergänzt. Ähnliches gilt beim Import von Projekten aus dem zentralen ERP-System: Meist werden Projekte in resSolution erfasst, lange bevor diese auch nur in die Nähe von SAP kommen. Integration würde somit, wenn überhaupt, in die andere Richtung zielen, nämlich zur automatisierten Eröffnung von Projekten im ERP-System, z.B. SAP, auf der Basis der Daten im Projektportfolio-Management-System. Davon wollen die ERP-Architekten dann allerdings meist nichts wissen ... Sehr sinnvoll ist hingegen der Import von Ist-Daten ins Projektportfolio-Management-System. Werden, wie bei resSolution üblich, mit dem PPM-System auch Ressourcen und Kapazitäten geplant, und erfolgt die Erfassung der geleisteten Arbeitsaufwände im ERP-System, dann liegt der Import dieser Ist-Daten ins PPM-System auf der Hand. Damit wird die Grundlage für Soll-Ist-Vergleiche, für ein mitlaufendes Controlling in Kombination mit Restaufwandschätzungen, aber auch für die Optimierung künftiger Planungen gelegt. Es handelt sich um die mit Abstand häufigste Schnittstellen-Implementation im Kundenportfolio von Scheuring. Weitere Ausführungen zum Thema, unter anderem eine Aufwand-Nutzen-Betrachtung, finden sich in Abschnitt 4.5 meines neuen Buches Radikale Business Software. Daraus mein Praxistipp zur Systemintegration:
Hinterfragen Sie jede Idee und jeden Antrag auf die Implementierung einer Schnittstelle sehr kritisch unter dem Aspekt des Aufwand-/Nutzenverhältnisses. Multiplizieren Sie dabei den geschätzten Aufwand mit zwei und seien Sie bei der Bewertung des Nutzens doppelt kritisch!
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