Microsoft und SAP sind aus dem Geschäftsleben nicht mehr wegzudenken. Deren Systeme und Konzepte prägen unseren beruflichen – im Fall von Microsoft auch den privaten – Alltag ganz entscheidend. Beide Unternehmen haben, auf unterschiedlichen Ebenen und auf ihre Weise, Pionierarbeit geleistet.
Die Dominanz dieser «Big Player» ist mittlerweile allerdings dermassen erdrückend, dass der eigentliche Zweck von IT-Systemen aus dem Blickfeld zu verschwinden droht: die Unterstützung der Unternehmensziele und damit die Steigerung der Effektivität und Effizienz. «Ausser Microsoft oder SAP kommt mir nichts ins Haus, falls ihr nicht beweisen könnt, dass es damit absolut nicht geht». So oder ähnlich klingt es auf mancher Chefetage.
Es stellt sich die Frage, welchen Preis ein Unternehmen für diesen Absolutismus zahlt. Der Wunsch, die Zahl der Anbieter und eingesetzten Systeme zu minimieren, scheint auf den ersten Blick verständlich und nachvollziehbar. Mit dieser Strategie riskiert die Organisation indessen, beträchtliche Nutzenpotenziale zu verschenken.
Dazu ein Originalzitat aus der Anwenderpraxis: «Wir haben das Planungsmodul mittlerweile implementiert. An unseren ursprünglichen Anforderungen mussten wir leider grosse Abstriche machen. Die Geschäftsleitung hat entschieden, und wir dürfen es jetzt ausbaden. Man lebt nun halt mit dem, was man hat oder eben nicht hat.»
«Mit der ‹Alles aus demselben Haus›-Philosophie können Entscheidungsträger im Unternehmen erheblichen Schaden anrichten.»
Die Stichworte: abzuschreibender Aufwand für missratene Versuche, vermeidbare Lizenzausgaben, fragwürdige Qualität und Ergebnisse, höherer Aufwand durch umständliche Bedienung. Nicht zu vergessen die Frustration und Demotivation der zu ihrem «Glück» gezwungenen Anwender.
Als Begründung für diese Verweigerungshaltung werden meist Standardisierung sowie die erhoffte stärkere Integration der Systeme angeführt. Beides ist häufig jedoch fadenscheinig. So lassen etwa die Microsoft-Anwendungen eine einheitliche Bedienphilosophie weitgehend vermissen.
Anschauungsmaterial liefern die heterogenen Suchhilfen in der Produktlandschaft. Und Integration ist nicht selten vor allem ein Buzzword. Selbstverständlich ist Datenaustausch in manchen Fällen wichtig. Ebenso oft ist totale Systemintegration indessen zweifelhaft, nicht selten gar kontraproduktiv. Denn wer würde es dem Abteilungsleiter verübeln, wenn er seine Budgetierung losgelöst vom starren ERP-System und damit wesentlicher einfacher und effizienter aufbereitet.
Der Ausschluss alternativer Lösungen ist aber auch aus einer anderen Optik problematisch: Durch solch starre Beschaffungsgrundsätze wird kleineren, fokussierten Systemanbietern, die zudem meist auch flexibler sind als die Megaplayer, die Lebensgrundlage entzogen. Der dadurch ausgehebelte Wettbewerb führt zu einem erheblichen Verlust an Innovationskraft auf dem Markt. Dieser Aspekt kann durchaus volkswirtschaftliche Dimensionen annehmen.
Klopft der damals verlorene Interessent ein Jahr später nach gescheitertem Versuch mit dem ERP-Modul wieder beim spezialisierten Lösungsanbieter an, zählt dies selbstredend zu den angenehmeren Erfahrungen desselben.
Das Fazit: Wo der Standard zum Selbstzweck erhoben wird, läuft die Organisation Gefahr, ihre Effizienz und Effektivität aufs Spiel zu setzen. Im Zentrum muss der Nutzen für das Unternehmen stehen.
Diese Kolumne erschien in der April-Ausgabe 2024 des Swiss IT-Magazine. Sie können diesen hier als pdf herunterladen. Weitere spannende Beiträge finden Sie wie immer auch auf unserer Download-Seite.
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